Zutritt nur mit 3G-Nachweis. Das galt bisher in deutschen Betrieben. Lässt sich das auch ohne die weggefallene gesetzliche Regelung im Infektionsschutzgesetz fortführen?

Spätestens seit dem 20. März beschäftigen die jüngsten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung viele Unternehmen. Der Wegfall der 3G-Regelung am Arbeitsplatz, die bisher in § 28b Abs. 1 IfSG normiert war, stellt Arbeitgeber nun vor viele Fragen. Der Goßteil der Unternehmen verspürt angesichts des nach wie vor erheblichen Infektionsgeschehens das dringende Bedürfnis, die bisherige Regelung nicht vollständig aufzugeben. Ist das möglich?

Die bundesweite Inzidenz hatte zuletzt Rekordwerte erreicht. In den vergangenen Jahren wurde derartigen Situationen mit einem „Lockdown“ begegnet. Deswegen sehen sich viele Unternehmen mit der Fragestellung konfrontiert, ob ein Unternehmen für seine Betriebe weiterhin eine 3G-Zugangsregelung anordnen darf, unter welchen Voraussetzungen eine solche Anordnung möglich ist und was bei der Einführung beachtet werden sollte.

klare gesetzliche Regelung fehlt

Die bisherige gesetzliche Grundlage für die 3G-Regel am Arbeitsplatz ist mit der Änderung des § 28b IfSG zum 20. März 2022 ersatzlos entfallen. Orientierung könnte jedoch die ebenfalls neu gefasste Corona-Arbeitsschutzverordnung bieten. Hier ist unter anderem geregelt, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung insbesondere die Notwendigkeit einer Maskenpflicht, einer Homeoffice-Pflicht und eines einmal wöchentlichen Testangebots zu prüfen hat. Zur Beibehaltung einer 3G-Regelung hingegen schweigt die Verordnung. Es wird jedoch deutlich, dass die angeführten Maßnahmen nicht abschließend sind und der Arbeitgeber darüber hinaus weitere Maßnahmen anordnen kann, sofern diese notwendig sind.

Gefährdungsbeurteilung

Die besagte Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutzgesetz könnte so der Schlüssel zur Anordnung der 3G-Regelung im Betrieb sein. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber seine Interessen den Rechten und Interessen seiner Arbeitnehmer in einer umfassenden Abwägung gegenüberstellen. Gelangt er danach zu dem Ergebnis, dass das Infektionsgeschehen im Betrieb nur durch die Einführung einer täglichen Testpflicht adäquat begrenzt werden kann, kann die Maßnahme gerechtfertigt sein. Interesse des Arbeitgebers ist an dieser Stelle insbesondere seine Fürsorgepflicht gegenüber allen Arbeitnehmern und seine Priorität, den coronabedingten Ausfall von Arbeitnehmern zu vermeiden. Die Arbeitnehmer können sich dagegen auf ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit, sowie die Achtung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen. Diese Rechte werden jedoch durch einen kurzweiligen und schmerzlosen Test nur sehr geringfügig berührt. Das Testen ist über die letzten beiden Jahre ohnehin für viele Menschen zur alltäglichen Routine geworden.

Im Hinblick auf die aktuellen Rekord-Inzidenzen werden die Interessen des Arbeitgebers somit regelmäßig überwiegen. 

so Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel

Wir raten zur „umfassenden Dokumentation“

In jedem Fall sollten Unternehmen sorgfältig und umfassend dokumentieren, wie die getroffenen Maßnahmen dem Arbeitsschutz dienen und weshalb sie zur Eindämmung des Infektionsgeschehens weiterhin erforderlich sind.

Kein Fragerecht bezüglich des Impfstatus – allgemeine tägliche Testpflicht?

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist jedoch zu beachten, dass dem Arbeitgeber mangels gesetzlicher Grundlage keine Fragerecht bezüglich des Impf- oder Genesungsstatus seiner Arbeitnehmer mehr zusteht. Auch darf er die ihm hierzu bekannten Daten nicht mehr berücksichtigen, sondern ist mit Wegfall der Rechtsgrundlage verpflichtet, diese zu löschen. Danach verbleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, im Grundsatz eine allgemeine tägliche Testpflicht für alle Arbeitnehmer – unabhängig von ihrem Impf- oder Genesungsstatus – einzuführen.

Anders als zuvor müssen sich Arbeitgeber, die eine solche Testpflicht anordnen, darauf einstellen, sämtliche Kosten für die tägliche Testung zu übernehmen. Sie können Arbeitnehmer auch nicht auf die Inanspruchnahme kostenloser „Bürgertests“ verweisen, weil diese für die Arbeitnehmer regelmäßig mit einem logistischen und zeitlichen Mehraufwand verbunden sein wird. Die Einführung der Testpflicht setzt zudem zwingend die umfassende Mitbestimmung des Betriebsrates voraus, da es sich um eine Frage der Ordnung im Betrieb und des Gesundheitsschutzes handelt.

Allgemeine Testpflicht und Datenschutz

Der Zulässigkeit der Anordnung einer allgemeinen Testpflicht werden häufig pauschal datenschutzrechtliche Bedenken entgegengehalten. Richtig ist, dass bereits die Abfrage eines Testnachweises – unabhängig davon, ob die Information nur mündlich erfragt oder auch gespeichert wird – eine Datenverarbeitung im Sinne des BDSG und der DSGVO darstellt. Die Verarbeitung ist nur dann zulässig, wenn sie erforderlich für die Ausübung der Rechte und Wahrung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ist.

Wie bereits dargelegt, kann die Anordnung einer allgemeinen täglichen Testpflicht im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung von den Rechten des Arbeitgebers umfasst sein.

In diesem Fall ist auch das Abfragen eines Testnachweis und damit die notwendigerweise verbundene Datenverarbeitung „erforderlich zur Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit ausnahmsweise erlaubt.

so Görzel weiter

Es wäre widersprüchlich,  einerseits von der Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Weisung auszugehen, andererseits aber dem Arbeitgeber zu verbieten, die dazu erforderlichen Daten abzufragen.

Auf die Freiwilligkeit setzen!

Ein eleganter Weg, den Impf- oder Genesungsstatus der einzelnen Arbeitnehmer letztlich doch im Rahmen der Testpflicht einfließen zu lassen – und somit faktisch eine 3G-Reglung einzuführen –, könnte darin bestehen, geimpften und genesenen Arbeitnehmern zu ermöglichen, den Testnachweis durch die freiwillige Vorlage eines Impf- oder Genesungsnachweises zu ersetzen.

Danach hätten diese Arbeitnehmer die Wahl, ob sie sich täglich einer Testung unterziehen oder lieber ihren Impf- bzw. Genesungsstatus offenlegen. Entscheidet der Arbeitnehmer sich für die Offenlegung, ist darin eine datenschutzrechtliche Einwilligung zu sehen.

Im Hinblick auf die reale Wahlmöglichkeit bestehen auch keine Zweifel an der Freiwilligkeit dieser Einwilligung. Um auch den weiteren Prozess datenschutzkonform auszugestalten, bieten sich wiederum unterschiedliche Möglichkeiten: So können geimpfte bzw. genesene Mitarbeiter ihre tägliche Testpflicht durch die tägliche Vorlage eines Impfnachweises ersetzen. Hierbei würden keine Daten gespeichert. Ebenso hätten sie die Möglichkeit, den Nachweis nur einmalig vorzulegen und in die Speicherung einzuwilligen. Auch diese Einwilligung ist aufgrund der wiederum bestehenden realen Wahlmöglichkeit tatsächlich freiwillig und damit zulässig.

Bedenken zu den Ausnahmemöglichkeiten? Unsichere wissenschaftliche Grundlage

Die Ausnahmemöglichkeiten für geimpfte und genesene Arbeitnehmer stellen eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu ungeimpften Arbeitnehmern dar. Mit Blick auf das im Arbeitsrecht geltende allgemeine Gleichbehandlungsgebot kann dies nur gerechtfertigt sein, wenn sachliche Gründe für die Differenzierung bestehen.

Dies wäre jedoch nur der Fall, wenn geimpfte und genesene Arbeitnehmer das Virus mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit übertragen. Gerade diese Frage scheint jedoch für die aktuell dominierende Omikron Variante noch nicht abschließend geklärt.

Im Vergleich zur vorangegangenen Delta-Variante scheint die Chance, andere Personen nach vollständiger Impfung oder Genesung anzustecken, signifikant höher. Das RKI schreibt hierzu: „Wie hoch das Transmissionsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind“. Eine Differenzierung auf dieser unsicheren Grundlage ist mitunter nur schwer zu rechtfertigen.

Testzeit = Arbeitszeit?

Auch die bisher umstrittene Frage, ob es sich bei der Test- und damit einhergehenden 15-minütigen Wartezeit um bezahlte Arbeitszeit handelt, ist mit Wegfall der gesetzlichen Grundlage neu zu beantworten: Bisher konnten Arbeitgeber argumentieren, dass der 3G-Status zwingende Voraussetzung für das Betreten der Arbeitsstätte sei und somit in den Pflichtenkreis der Arbeitnehmer fiele. Ordnet nun nicht mehr der Gesetzgeber, sondern der Arbeitgeber selbst diese Zugangsregel an, ist diese Argumentation nicht mehr tragfähig. Zudem würden ungeimpfte Arbeitnehmer und geimpfte oder genesene Arbeitnehmer, die ihren Status nicht offenlegen wollen, gegenüber den durch die Ausnahme privilegierten Arbeitnehmern benachteiligt.  Die Testzeit fällt demnach von nun an in die Arbeitszeit und nicht mehr in den Pflichtenkreis des Arbeitnehmers.

Umgang in der Praxis – ein Ausblick

Die aufgeworfenen Fragen werden zweifelsfrei in näherer Zukunft die Arbeitsgerichte intensiv beschäftigen und wahrscheinlich erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG abschließend geklärt. Aktuell sprechen die besseren Argumente für die Anordnung einer allgemeinen täglichen Testpflicht ohne gesonderte Ausnahmemöglichkeit. Das Risiko, dass geimpfte und genese Arbeitnehmer mit Unmut auf diese neue, für sie „belastende“ Anordnung reagieren, ist absehbar.

Zudem kann die Gleichbehandlung in jeder Hinsicht dem Betriebsfrieden auch zuträglich sein.

Rechtsanwalt Volker Görzel dazu:

Es kommt entscheidend darauf an, in der Kommunikation den richtigen Ton zu treffen. Auch deshalb sollten Regelungen nur in enger Absprache mit Arbeitnehmervertreten geschlossen werden. Arbeitgeber, die eine Einführung für erforderlich halten, müssen auch bereit und imstande sein, die dadurch entstehenden höheren Kosten zu tragen.

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