Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde beschlossen- das ist zu beachten von Hinweisgebern und Unternehmen

Am 11. und 12. Mai 2023 wurde nach langwierigen Diskussionen das Hinweisgeberschutzgesetz vom Bundestag und Bundesrat beschlossen. Es wird voraussichtlich im Juni 2023 in Kraft treten und betrifft rund 90.000 Unternehmen in Deutschland, die nun verpflichtet sind, ein Hinweisgebersystem einzurichten. Für viele Unternehmen stellt sich nach der Verabschiedung des Gesetzes nun die Frage wie sie dieses umsetzen können und müssen.

Ab wann gelten die Vorschriften des Hinweisgeberschutzgesetzes?

Das Gesetz tritt einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft, die vom Bundespräsidenten nach Prüfung und Unterzeichnung erfolgen muss. Dieser formelle Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens dauert normalerweise einige Tage bis Wochen und steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus. Dadurch ist klar, dass das Gesetz höchst wahrscheinlich erst Ende Juni 2021 in Kraft treten wird.

Welche Regelungen beinhaltet das Gesetz?

Ab Inkrafttreten müssen Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern ein Hinweisgebersystem einrichten, das sichere und zuverlässige Kanäle für interne Meldungen von Verstößen bietet. Finanzinstitute wie zum Beispiel Börsenträger, Finanzdienstleistungsinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften sind unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl zu der Einrichtung eines Hinweisgebersystems verpflichtet.

Ab dem 1. November 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern und Finanzinstitute, die bis dahin kein Hinweisgebersystem eingerichtet haben, ein Bußgeld in Höhe von 20.000 € riskieren.

Ab dem 17. Dezember 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern ebenfalls ein Hinweisgebersystem einrichten und können mit einem Bußgeld in Höhe von 20.000 € belegt werden, wenn sie der Pflicht nicht nachkommen.

Was wurde im Vermittlungsausschuss erreicht?

Nachdem die Bundesregierung zuletzt den Vermittlungsausschuss angerufen hatte, wurden dort verschiedene Kompromisse erzielt. Ein Kompromiss war, dass es, nicht wie in dem Gesetzesentwurf, eine Verpflichtung zur Entgegennahme anonymer Meldungen gibt.

Ursprünglich war geplant, dass interne Meldekanäle ab 2025 auch anonyme Kontaktaufnahmen und Kommunikation mit dem Hinweisgeber ermöglichen sollten. Nun wurde daraus eine Empfehlung.

Moderne digitale Hinweisgebersysteme ermöglichen jedoch bereits zu geringen Kosten eine anonyme Kommunikation mit Hinweisgebern. Unternehmen, die mögliche Missstände frühzeitig intern identifizieren und beheben wollen, sollten über diese Möglichkeit nachdenken. Statistisch gesehen sinkt dadurch die Hemmschwelle der Mitarbeiter, Behörden oder die Öffentlichkeit anzusprechen.

Außerdem handelte der Vermittlungsausschluss mit der Bundesregierung aus, den Bußgeldrahmen von ursprünglichen 100.000€ zu halbieren.

Wie wurde der Schutzbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes konkretisiert?

Außerdem wurde bei der Verhandlung mit dem Vermittlungsausschuss der Anwendungsbereich des Gesetzes weiter eingegrenzt. Gemeldete Verstöße, die vom Hinweisgeberschutzgesetz geschützt sind, die beim Beschäftigungsgeber oder einer anderen Stelle begangen werden, müssen im Rahmen ihres beruflichen Kontakts begangen worden sein. Vorher war auch schon vorgesehen, dass der Anwendungsbereich nur Hinweise gegen Rechtsverstöße gegen Gesetzte umfasst, die im Rahmen einer dienstlichen, unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeit begangen werden.

Durch diese Klarstellung wird der Schutz von Hinweisgebern in einem weiteren Spektrum von Fällen gewährleistet, was die Meldekultur in Unternehmen insgesamt fördern kann. Es ist wichtig für Unternehmen, diese neuen Vorschriften zum Schutz von Hinweisgebern zu beachten und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Hinweisgeber sollen interne Meldesysteme verwenden

Bisher hatten Hinweisgeber die Wahl, sich entweder an eine interne Meldestelle im Unternehmen oder an eine externe Meldestelle (beim Bundesamt für Justiz) zu wenden. Unternehmen sollten jedoch Anreize für die Nutzung interner Kanäle schaffen. Nun wurde dies um den Appell ergänzt, dass Hinweisgeber die interne Meldung bevorzugen sollten, sofern intern effektive Maßnahmen gegen den Verstoß ergriffen werden können und sie keine Repressalien befürchten.

Wichtig ist dabei, dass potenzielle Hinweisgeber ihr Wahlrecht behalten. Es liegt nun in der Verantwortung der Unternehmen, ein attraktives, leicht zugängliches und vertrauenswürdiges Hinweisgebersystem einzuführen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter den internen Meldewegen folgen.

Verlängerung der Aufbewahrungspflichten

Bisher war vorgesehen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation der Meldung drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden muss. Nun wurde klargestellt, dass die Meldung auch länger aufbewahrt werden kann, wenn dies im Einzelfall erforderlich und angemessen ist, die Meldung also nicht nach drei Jahren gelöscht werden muss.

Das Ausweiten der Frist, Meldungen länger als drei Jahre aufbewahren zu können, ist sehr sinnvoll in der Hinsicht, dass es bei komplexen und Zusammenhängenden Sachverhalten in manchen Unternehmen länger dauert, alle Hinweise von Meldungen nachzuverfolgen. In solchen Unternehmen ist eine kurz angesetzte Pflicht kontraproduktiv bei der Aufklärung von Verstößen. Außerdem kann auch später noch ein hohes Interesse an der längeren Dokumentation bestehen, zum Beispiel für gerichtliche Verfahren.

Beweislastumkehr beim Repressalienschutz

Das Gesetz sah bereits zuvor eine Beweislastumkehr vor, wenn der Hinweisgeber Benachteiligungen durch das Aufgeben eines Hinweises erfährt. Der Arbeitgeber muss dann die Vermutung widerlegen, dass die Maßnahme eine verbotene Repressalie darstellt. Im Vermittlungsausschuss wurde vereinbart, dass die Vermutungswirkung nur greift, wenn sich der Hinweisgeber darauf beruft. Der Repressalienschutz ist für Hinweisgeber neben der Vertraulichkeit das Kernstück des neuen Gesetzes. Die Beweislastumkehr bleibt weiter bestehen. Der erzielte Kompromiss ändert daran nichts, da sich in der Praxis wahrscheinlich jeder Arbeitnehmer, der sich gegen eine Kündigung oder Versetzung wehrt und Hinweisgeberschutz beanspruchen möchte, auf das Vorliegen einer vermeintlichen Repressalie berufen wird.

Kein Schmerzensgeld für Hinweisgeber

Ursprünglich war vorgesehen, dass der Repressalienschutz durch einen Schmerzensgeldanspruch ergänzt wird. Dies wurde nun gestrichen. Das Risiko hoher Geldzahlungen für Unternehmen durch (vermeintlich) benachteiligte Hinweisgeber sinkt dadurch.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Nun ist es an der Zeit, dass sich Personal- und Compliance-Verantwortliche sich endgültig mit dem Thema der Hinweisgebersysteme auseinandersetzen. Besonders Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern und Finanzinstitute haben nicht mehr viel Zeit, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.

Obwohl die Nicht-Einrichtung oder verspätete Einrichtung eines Hinweisgebersystems voraussichtlich erst ab dem 1. November 2023 mit Bußgeldern belegt wird, gelten die neuen Vorgaben bereits ab dem Inkrafttreten des Gesetzes, voraussichtlich Ende Juni 2023. Unternehmen, die mit der Einrichtung eines Systems bis November 2023 warten, riskieren, dass sich Hinweisgeber bis dahin direkt an Behörden oder auch an die Öffentlichkeit und Medien wenden.

Unternehmensverantwortliche sollten daher, sofern noch nicht geschehen, schnellstmöglich ein Hinweisgebersystem einführen und Vorhandene Systeme auf eine Kompatibilität mit dem Hinweisgeberschutzgesetz überprüfen.

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