Corona-Impfung im Betrieb: Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen sollten - mit Volker Görzel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

1. Dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter Fragen, ob sie geimpft sind?

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel: 

Hier ist das „legitime Interesse“ Schlüsselbegriff: Der Arbeitgeber darf nur solche Informationen erfragen, an denen er ein legitimes Interesse hat. Da es keine Impfpflicht gibt, kann es auch kein legitimes Interesse geben. Hinzu kommt, dass es sich bei Fragen zum Impfstatus um äußerst sensible Daten der Beschäftigten handelt. Hier sind besonders hohe Anforderungen an das Interesse des Arbeitgebers zu stellen.

Für Beschäftigte, die mit besonders gefährdeten Personen in Kontakt stehen könnten allerdings andere Regeln gelten. Wenn das Hygienekonzept medizinischer Einrichtungen vorsieht, dass nur geimpftes Personal Kontakt mit Patient**innen haben soll, könnte das legitime Interesse in der Einhaltung des Konzepts zu finden sein. 

Zur Zeit der aktuellen Impfkampagne wird ein solches Konzept aber eher nicht durchführbar sein. Sollte sich die Corona-Lage weiter verschlechtern könnte es allerdings in der zweiten Jahreshälfte anders aussehen. Es kommt – wie so oft – auf den individuellen Fall an.

2. Was ist, wenn der Mitarbeiter an Corona erkrankt ist, obwohl er sich hätte impfen lassen können?

Dazu Volker Görzel:

Grundsätzlich erhalten Arbeitnehmer, denen es aufgrund einer Erkrankung nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, die sogenannte Entgeltfortzahlung. Demnach erhalten auch an Corona erkrankte Arbeitnehmer diese Zahlungen. Arbeitnehmer trifft kein Verschulden, das den Anspruch nach dem Gesetz ausschließen würde.

Die Rechtsprechung geht von Eigenverschulden aus, wenn Arbeitnehmer sich leichtfertig oder sogar vorsätzlich dem Risiko ausgesetzt haben, arbeitsunfähig zu werden.

Rechtsanwalt Görzel weiter: 

Alleine weil eine empfohlene Impfung nicht durchgeführt wurde, kann man nicht von leichtfertigem Verhalten sprechen. Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentengelts besteht für 6 Wochen, und zwar auch dann, wenn eine Coronaerkrankung durch Impfung zu vermeiden gewesen wäre.

3. Was gilt, wenn Mitarbeiter dann in Quarantäne müssen?

Im Falle einer Quarantäne könnte das allerdings anders aussehen. Die Anordnung der Quarantäne begründet ein sogenanntes „amtliches Beschäftigungsverbot“. Es besteht also der „begründete Verdacht, dass der infizierte Mitmenschen/Mitarbeiter anstecken kann“. Der Anspruch auf Entschädigung richtet sich dann nach dem Infektionsschutzgesetz.

Im Falle der Quarantäne gilt: Sollte sich herausstellen, dass das Beschäftigungsverbot hätte durch die empfohlene Impfung vermieden werden können, ist der Anspruch im Ganzen ausgeschlossen: Betroffene Arbeitnehmer sind dann nicht berechtigt – und werden nicht bezahlt. Mitarbeiter, die nicht die Möglichkeit haben im Homeoffice zu arbeiten und dadurch den normalen Lohnanspruch erhalten könnten, laufen als Ungeimpfte in der Quarantäne Gefahr, ohne finanzielle Absicherung dazustehen.

,so Görzel

4. Können Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Impfung zwingen?

Ganz klar, Nein. Natürlich wird dringend empfohlen, sich gegen Corona impfen zu lassen. Dennoch besteht keine Pflicht. Die Impfung ist freiwillig, weshalb erst Recht Arbeitgeber die Pflicht zur Impfung gegenüber ihren Beschäftigten nicht anordnen dürfen.

Eine arbeitsrechtliche Weisung mit dem Inhalt, dass man sich impfen lassen soll, ist also nicht rechtmäßig und damit unwirksam. Sie muss nicht befolgt werden.

Volker Görzel weiter

Arbeitnehmer, die deshalb eine Abmahnung oder sogar die Kündigung erhalten, haben unserer Erfahrung nach gute Chancen, einen Prozess vor dem Arbeitsgericht zu gewinnen.

5. Gelten Sonderregeln für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen? 

Auch hier heißt es derzeit ganz klar „Nein“. Entsprechende Vorstöße gab es zwar aus der Politik, durchgesetzt haben diese sich aber bislang nicht. Die Imfpung ist auch im Bereich Pflege freiwillg.

Zu beachten ist allerdings, dass nach dem Infektionsschutzgesetz ein erhöhter Schutzbedarf in Bezug auf Infektionen in bestimmten Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehaeinrichtungen, Dialyseeinrichtungen,Arztpraxen, Zahnarztpraxen und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden, besteht. 

In diesen Einrichtungen muss sichergestellt sein, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um Infektionen nicht entstehen zu lassen. Getroffen werden können aber nur Maßnahmen, die auch rechtlich zulässig sind. Gegenwärtig ist das bei der Corona-Impfung nicht der Fall.

,so der Fachanwalt für Arbeitsrecht

6. Dürfen Arbeitnehmer sich während der Arbeitszeit impfen lassen?

Dazu Görzel:

Das wird gehandhabt wie beim Arztbesuch: Grundsätzlich sind Arztbesuche Privatsache und sollen außerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Nur in Ausnahmefällen können Beschäftigte Anspruch auf Freistellung haben.

Solange die Impfkampagne so abläuft, dass die Impfzentren starre Termine vergeben, geht man davon aus, dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Inzwischen hat die Impfkampagne allerdings Fahrt aufgenommen – hier müsste eine Bewertung im Einzelfall vorgenommen werden.

Rechtsanwalt Görzel:

Jedenfalls dann, wenn dem Mitarbeiter eine fester Termin zugewiesen bekommt, hat er einen Anspruch darauf, für diesen unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt zu werden (§ 616 BGB). In Arbeits- oder Tarifverträgen kann dieser Anspruch aber ausgeschlossen werden. Dann entfällt entsprechend der Anspruch auf Lohn für diese Zeit. 

Wir empfehlen, den Impftermin so früh wie möglich mit dem Arbeitgeber abzusprechen. Viele Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter geimpft sind. Es sollte also möglich sein, eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden.

7. Kann der Arbeitgeber mir den Zutritt zur Kantine verweigern, weil ich nicht geimpft bin?

Volker Görzel:

Beschäftigte sind, wie gesagt, nicht verpflichtet sich impfen zu lassen. Aus dem Maßregelungsverbot ergibt sich, dass Arbeitnehmer nicht ungleich behandelt werden dürfen, weshalb die Verweigerung des Zutritts zur Kantine für ungeimpfte Mitarbeiter nicht in Frage kommen kann.

8. Dürfen Arbeitgeber ungeimpfte Arbeitnehmern gesonderte Arbeitsplätze zuweisen?

Volker Görzel dazu:

Grundsätzlich gilt auch hier: Die Ungleichbehandlung ist nicht gestattet.

Allerdings könnte es aufgrund der sogenannten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für die gesamte Belegschaft gerechtfertigt sein, zwischen ungeimpften und geimpften zu unterscheiden – Zur Vermeidung von Ansteckungen. Hier könnte man darüber nachdenken, ob es geboten ist, geimpfte Arbeitnehmer anders zu behandeln als ungeimpfte.

Allerdings wäre auch das nur rechtlich möglich, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, Ansteckungen zu verhindern. Insbesondere Schnelltests könnten eine mögliche Alternative zu Zutrittsbeschränkungen oder sonstigen Unterscheidungen darstellen.

9. Dürfen Arbeitgeber, im Falle einer Impfung gegen Corona, Bonuszahlungen versprechen?

In manchen Betrieben geht man sogar noch weiter und bietet seinen Beschäftigten neben der Freistellung auch eine Bonuszahlung an, wenn sie sich impfen lassen.

Rechtsanwalt Görzel:

Gegen eine solche “Impf-Prämie“ ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Sie fördert ein legitimes Anliegen und stellt die Beschäftigten insgesamt finanziell besser. Betriebsräte sollten allerdings darauf achten, dass eine solche Zahlung im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutze sowie der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 u. 10 BetrVG) mitbestimmungspflichtig ist.

Arbeitgeber können eine Bonus also nicht ohne die Beteiligung des Betriebsrats einführen. Kommt es zum Streit, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.

10. Müssen geimpfte Arbeitnehmer weiter Maske tragen?

Volker Görzel:

Wohl schon. Das Tragen der Maske dient ja nicht nur dem Selbst- sondern auch dem Fremdschutz. Zwar senkt die Impfung die Gefahr einer Ansteckung erheblich, dennoch besteht ja immer noch die Möglichkeit, das Virus zu übertragen und damit ungeimpfte Kollegen anzustecken.

Es gibt zwar ermutigende Anzeichen, dass die Impfstoffe auch die Weitergabe des Virus verhindern. Solange dies aber noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist, werden wohl auch die Beschäftigten, die sich haben impfen lassen, weiterhin den Mund-Nasen-Schutz tragen müssen.

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