Entsteht eine betriebliche Übung, wenn über Jahre hinweg stets Feiertagsvergütung für den Ostersonntag gezahlt wird, obwohl es sich gar nicht um einen gesetzlichen Feiertag handelt?

Ausgehend von dem Irrtum, dass es sich beim Ostersonntag um einen gesetzlichen Feiertag handele, zahlen manche Arbeitgeber tarifliche Feiertagszuschläge. Aber kann darauf auch ein Anspruch auf künftige Zuschläge entstehen?

Wir geben einen Überblick zu Wahrheiten und Irrtümern der betrieblichen Übung!

Die betriebliche Übung beschreibt grundsätzlich die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Vergünstigung oder Leistung auf Dauer als vertraglicher Anspruch eingeräumt werden.

Was kann alles Gegenstand betrieblicher Übung sein?

„Zunächst ist eine betriebliche Übung für jeden Gegenstand vorstellbar, der auch arbeitsvertraglich in allgemeiner Form geregelt werden kann“

, so Volker Görzel, Rechtsanwalt, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Gegenstand der betrieblichen Übung sind meistens zusätzliche Geldleistungen, zum Beispiel Weihnachtsgeld oder Jubiläumszuwendungen. Zudem können aber auch Regelungen in Bezug auf das Verhalten am Arbeitsplatz oder die Arbeitszeit Gegenstand einer betrieblichen Übung sein.

„Bei einigen Arbeitgebern beispielsweise ist es Usus, dass Arbeitnehmer über die närrischen Tage freigestellt werden“

so Görzel weiter

Zudem kommt es vor, dass Arbeitnehmer auch an Geburtstagen, Weihnachten oder sonstigen Tagen mit regionalem Brauchtum regelmäßig freigestellt werden.

Wann wird das Entgegenkommen des Arbeitgebers zur betrieblichen Übung?

Die betriebliche Übung entsteht dann, wenn das Entgegenkommen hinreichend bestimmt ist. Probleme entstehen in der Arbeitswelt oftmals dann, wenn wenn es sich beim entgegenkommen nicht um aktives Tun, sondern um ein Dulden oder Unterlassen handelt. Beispielsweise qualifizierte das Gericht das bisherige Dulden des Arbeitgebers von bezahlten Raucherpausen in einem Fall als nicht hinreichend bestimmtes Leistungsangebot. Denn der Arbeitgeber habe von dem Ausmaß der bezahlten Raucherpausen keine Kenntnis gehabt (LAG Nürnberg, Urteil vom 5.8.2015, 2 Sa 132/5).

Freiwilligkeitsvorbehalte hindern das Entstehen der betrieblichen Übung

Auch einige Rentner, die über Jahre zu Weihnachten eine Marzipantorte und Weihnachtsgeld von ihrem ehemaligen Arbeitgeber erhielten, konnten sich vor dem Arbeitsgericht Köln nicht auf betriebliche Übung berufen. Zum einen hätten in der Vergangenheit nicht alle Betriebsrentner die Zuwendungen erhalten, zum anderen habe der Arbeitgeber im jährlichen Weihnachtsschreiben deutlich gemacht, dass er die Leistung nur für ein Jahr gewähre, so das Urteil.Wenn ein

Unternehmen über Jahre hinweg aufgrund eines rechtlichen Irrtums tarifliche Feiertagszuschläge für Arbeiten am Ostersonntag ausgezahlt hat, mangelt es auch hier an der freiwilligen Gewährung der Leistung. Wenn der Arbeitgeber seinen Irrtum bemerkt und daraufhin die Zahlung einstellt, können Arbeitgeber sich nicht auf eine betriebliche Übung berufen. (BAG,Urteil vom 17.3.2010, Az. 5 AZR 317/09).

3-Mal gewährt, betriebliche Übung entstanden? Ein Trugschluss.

Die weit verbreitete Meinung, dass die dreimalige Gewährung einer Leistung immer eine betriebliche Übung begründet wird fälschlicherweise oft angenommen

so Volker Görzel

Wie zuvor ausgeführt, braucht es eine regelmäßige Wiederholung von Verhaltensweisen, um eine betriebliche Übung zu begründen. Es besteht aber grundsätzlich Regel, ab welcher Zahl von Wiederholungen Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfen, dass die Leistung auf Dauer gewährt werden soll.

Verhältnis der Anwendungsfälle zur Belegschaft zählt mit

So in einem Fall, bei dem ein Arbeitnehmer „seine“ Jubiläumszuwendung aus betrieblicher Übung einforderte. Das BAG sah zwar die Leistung als hinreichend bestimmt an, verneinte den Anspruch aber, obwohl er bereits acht Mal in vorherigen Jahren Arbeitnehmern gewährt worden war. Der Grund: Die Zuwendung sei noch nicht so häufig erfolgt, dass der Arbeitnehmer berechtigterweise von einer Weiterführung ausgehen durfte.

Wie vieler Wiederholungen bedarf es also?

Rechtsanwalt Volker Görzel dazu:

Hier ist die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaft heranzuziehen und wie bedeutend die Leistung für die Arbeitnehmer ist. Im vorliegenden Fall war sie eher gering, da genügte die achtmalige Gewährung bei einer Gesamtbelegschaft von 230 Mitarbeitern eben nicht.

 

Einschränkungen im öffentlichen Dienst

Im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern sind die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes bei der Gestaltung der Arbeitsvertragsbedingungen an Weisungen vorgesetzter Dienststellen, an Richtlinien, Verordnungen, Gesetze, an Mindestbedingungen des Tarifvertrags, an das Haushaltsrecht und so weiter gebunden. Nur wenn ein zusätzlicher Vertrauenstatbestand bei den Beschäftigten geschaffen wurde, kann überhaupt eine betriebliche Übung im öffentlichen Dienst entstehen. Im Zweifel gelten die existierenden Regelungen.

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wissen, dass der Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist, sodass eine übertarifliche Bezahlung eine Ausnahme ist. Die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst dürfen selbst bei langjährigen Leistungen nicht ohne besonderen Grund annehmen, das übertarifliche Entgelt sei durch betriebliche Übung Vertragsbestandteil geworden.

Eine solche Annahme wäre nur gerechtfertigt, wenn zusätzliche konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die sich je nach den Umständen aus den Erklärungen des Arbeitgebers oder einer Verwaltungspraxis ergeben können und die aus der Sicht der Beschäftigten den Schluss rechtfertigen, ein gezahltes übertarifliches Entgelt oder die Gewährung sonstiger Vergünstigungen seien Vertragsbestandteile geworden und werden auf Dauer weiter gewährt.

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