Eine umfassende Ermächtigung zur Rechtssetzung auf dem Gebiet des Arbeit- oder Sozialrechts kennt das Unions-Recht nicht. Vielmehr sind es einzelne Regelungsbereiche in denen das nationale Arbeitsrecht durch EU-Recht überlagernd gestaltet wird.

1. Arbeitsschutz

Die Arbeitsschutzrahmenrichtiglinie vom 1989, welche durch ausführende Einzelrichtlinien weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz vorsieht, ist jetzt durch das Arbeitsschutzgesetz umgesetzt. Eine ausführende Einzelrichtlinie ist die sogenannte Mutterschutz-RL von 1992. Am 20.12. 1996 ist die Verordnung zur Umsetzung von EG-Einzelrichtlinien in Kraft getreten.

2. Arbeitsvertrag

Die Umsetzung in das deutsche Recht erfolgte durch das Nachweisgesetz, welches im Rahmen des Gesetzes zur Anpassung arbeitsrechtlicher Bestimmungen an das EG-Recht vom 20.7. 1995 verabschiedet wurde. Die EG-Richtlinie 99/70 über befristete Arbeitsverhältnisse basiert auf einer Vereinbarung der europäischen Sozialpartner. Sie ist durch das zum 01. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz über Teilzeitarbeit und Befristung in deutsches Recht umgesetzt worden.

3. Arbeitszeit

Die Arbeitszeitrichtlinie war seit ihrem Inkrafttreten 2003 umstritten. Die Höchstarbeitszeit je Woche bleibt weiterhin bei 48 Stunden. Auch für Ruhezeiten und Urlaub gibt es gemeinsame Bestimmungen. Ausnahmen sind in zwei Fällen möglich. Erstens über die „Opt-Out“-Regelung, der zufolge Mitarbeiter freiwillig mehr als 48 Stunden arbeiten können. Die zweite Ausnahmemöglichkeit führt über Tarifverträge oder Gesetze, zu denen die Sozialpartner angehört wurden.

Die Mitgliedstaaten der Union können eigene Gesetze erlassen, müssen sich aber innerhalb des Rahmens bewegen, den die EU vorgibt. Das bedeutet:

  • dass einem Arbeitnehmer je 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden zusteht
  • nach sechs Stunden eine Pause gewährt werden muss
  • je Siebentageszeitraum ein freier Tag (genau 24 Stunden) vorgesehen ist
  • die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschritten wird
  • ein bezahlter Mindestjahresurlaub von vier Wochen gewährt wird

Einen Sonderfall bildet die Nachtarbeit. Sie soll im Durchschnitt nicht länger als acht Stunden je 24-Stunden-Zeitraum dauern. Die Mitgliedstaaten der EU können die Details der Nachtarbeitsregelung selber festlegen. Das deutsche Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass Nachtarbeit ausnahmsweise auch zehn Stunden-Schichten enthalten darf. Innerhalb von vier Wochen muss der Durchschnittswert von acht Stunden aber wieder erreicht sein. Besondere Arbeitszeitregelungen sind für bestimmte Berufsgruppen vorgesehen.

4. Betriebsübergang

Die Umsetzung der Richtlinien erfolgte vor allem durch Modifizierung des § 613a BGB. Bereits mit der RE 98/50/EG vom 26.6.98 wurden bedeutsame Neuerungen für das deutsche Recht eingeführt.

5. Europäischer Betriebsrat

Das Gesetz über europäische Betriebsräte gilt für unionsweit tätige Unternehmen mit Sitz im Inland, wenn die Unternehmensgruppe mindestens 1000 Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten und jeweils mindesten 150 Arbeitnehmer in mindestens zwei Mitgliedstaaten beschäftigt. Eine Vereinbarung zwischen der zentralen Unternehmensleitung und einem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmerseite ist vorrangig. Ein Europäischer Betriebsrat ist zu erreichen, nur wenn eine solche Vereinbarung nicht zustande kommt.

6. Arbeitnehmerfreizügigkeit

Die Freizügigkeit beinhaltet zunächst das Recht, sich zur Ausübung einer Beschäftigung innerhalb der Union frei zu bewegen. Der Arbeitnehmer und seine Familiengehörigen haben im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates unter gewissen Voraussetzungen ein Bleiberecht für die Zeit nach dem Ende der Beschäftigung. Neben der Bewegungsfreiheit innerhalb der Gemeinschaft, umfasst die Freizügigkeit zudem das Recht des Arbeitnehmers auf freien Zugang zu einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat. Der dritte Aspekt der Freizügigkeit ist die Gleichbehandlung bei der Ausübung der Beschäftigung.

7. Gleichbehandlung

Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist lediglich der Grundsatz der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau verankert. Die Richtlinie 76/207/EG verbietet die Diskriminierung von Frauen bei der Einstellung, im Arbeitsvertrag und in Bezug auf betriebliche Arbeitsbedingungen, soweit nicht eine Differenzierung nach dem Geschlecht aufgrund der Art oder der Bedingungen der ausgeübten Tätigkeit unabdingbar ist. Weitere EU-Richtlinien, dienen der Verhinderung von Benachteiligungen wegen Rasse und ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Ausrichtung. Diese Richtlinien sind in dem am 18. Juni 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in nationales Recht umgesetzt worden.

8. Massenentlassungen

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erhielt frühere Fassung im Wege der Umsetzung der Richtlinie über Massenentlassungen. Die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene Anpassung des § 17 KSchG ist durch das Gesetz zur Anpassung arbeitsrechtlicher Bestimmungen erfolgt. Für den deutschen Gesetzgeber schafft die Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen wohl keinen neuen Regelungsbedarf.

9. Sozialvorschriften in Straßenverkehr

Regelungsgegenstand ist vor allem die Sicherheit des Fahrpersonals durch Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten, sowie das Verbot sicherheitsbeeinträchtigender Leistungslohnsysteme. Die Verordnungen (VO) 3820/85 und 3821/85 enthalten arbeitsrechtliche Regelungen für den Bereich des Straßenverkehrs; bei diesen handelt es sich um „hinkende Verordnungen“, welche durch den Erlass nationaler Vorschriften ausgefüllt werden müssen.

Für weitere Informationen wenden Sie sich an Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel von der Kanzlei HMS Barthelmeß.Görzel Rechtsanwälte in Köln.


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