Reisekostenrecht: Wann liegt die erste Tätigkeitsstätte vor und welche Sonderfälle gibt es?

Die sogenannte erste Tätigkeitsstätte entscheidet darüber, wie Reisekosten versteuert werden müssen. Bei einer Auswärtstätigkeit können höhere Kosten steuerlich geltend gemacht werden, als bei Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte.

Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gilt nur ein beschränkter Werbungskostenabzug (Entfernungspauschale 0,30 EUR pro Entfernungskilometer, keine Verpflegungspauschalen). Fahrtkostenzuschüsse des Arbeitgebers sind grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn. Bei Dienstwagennutzung ergibt sich ein geldwerter Vorteil. Seit dem 01.01.2019 kann der Arbeitgeber dem Arbeitgeber allerdings die Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln abnehmen, wenn die Zahlung zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgt. Dies ist dann für den Arbeitnehmer steuerfrei (§ 3 Nr. 15 EStG).

Bei einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit können dagegen 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer durch den Arbeitgeber erstattet bzw. durch den Arbeitnehmer als Werbungskosten abgesetzt werden.

Nach § 9 Abs. 4 EStG ist eine erste Tätigkeitsstätte

  • die Ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten,
  • der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

Pro Dienstverhältnis kann der Arbeitnehmer maximal eine erste Tätigkeitsstätte haben. Das Gesetz und die Finanzverwaltung erkennen an, dass es Arbeitnehmergruppen geben kann, die keine erste Tätigkeitsstätte haben und damit immer auswärts tätig sind (z.B. Außendienst).

Ein Home-Office-Arbeitsplatz kann nie erste Tätigkeitsstätte sein, weil es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung handelt. Ebenso fallen Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe nicht unter den Tätigkeitsstättenbegriff, da sie keine ortsfesten Einrichtungen sind.

Die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte wird vorrangig durch den Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechtes bestimmt.

Seit der Reisekostenreform im Jahr 2014 kommt es hierbei nicht mehr auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an. Insoweit ist es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeit zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem ausgeübten Berufsbild gehören.

Die Zuordnungsentscheidung kann sowohl schriftlich als auch mündlich getroffen werden, muss aber dokumentiert werden (z.B. durch Reisekostenabrechnungen, Arbeits- oder Tarifverträge, Einsatzpläne, Protokollnotizen, etc.). Die Zuordnung kann durch den Arbeitgeber jederzeit mit Wirkung für die Zukunft geändert werden.

Handlungsspielraum für Arbeitgeber: Im Ergebnis kann der Arbeitgeber somit mit der Zuordnung selbst beeinflussen, für welche Fahrten er steuerfreie Reisekosten zahlen kann und will und für welche Fahrten (zur ersten Tätigkeitsstätte) nicht!

Aktuelle Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zur ersten Tätigkeitsstätte:

  • Fliegendes Personal: Der BFH hat entscheiden, dass die betreffende Arbeitnehmerin ihre erste Tätigkeitsstätte auf dem Flughafengelände hatte, da sie dort in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- oder Flugnachbereitung zu erbringen hatte.

(BFH, Urteil vom 11.04.2019, VI R 40/16 und BFH, Urteil vom 10.04.2019, VI R 17/17)

  • Streifenpolizist: Ein Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst verfügt über eine erste Tätigkeitsstätte an seinem Dienstsitz, soweit er diesen arbeitstäglich aufsucht, um dort zumindest in geringem Umfang dienstrechtlich geschuldete Tätigkeiten zu erbringen.

(BFH, Urteil vom 04.04.2019, VI R 27/17)


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