Wie weit geht das Direktionsrecht des Arbeitgebers in der Pandemie?

Aktuelle Situation

Auch wenn das Drama um den Impfstopp von Astrazeneca der baldigen Hoffnung auf Normalität einen Dämpfer verpasst hat, so lässt der seit dem 11. März zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson, der lediglich eine Verabreichung des Impfstoffes benötigt, Licht am Tunneln erkennen.

Denn damit sind in der EU derzeit vier Vakzine zugelassen.

Damit die mit den Impfstoffen verbundene Hoffnung auch Realität wird, muss ein möglichst großer Bevölkerungsanteil geimpft sein. Aufgrund der derzeit begrenzenten Verfügbarkeit von Impfdosen, bekommen zunächst Menschen, die in die ersten drei Prioritätsgruppen fallen, ein Impfangebot. Im Laufe des Jahres sollen aber alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot erhalten.

Der Erfolg der Impfstoffe hängt maßgeblich davon ab, wie viele Menschen das Impfangebot schlussendlich annehmen. Eine gesetzliche Impfpflicht in Bezug auf das Coronavirus gibt es aktuell nicht.

Könnten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dazu verpflichten, sich gegen das Virus impfen zu lassen? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Bezogen auf die Grippeimpfung ermöglicht das Direktionsrecht des Arbeitgebers keine verpflichtende Impfung der Beschäftigten. Begründet wird dies mit der stärkeren Gewichtung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber den medizinischen und wirtschaftlichen Folgen.

Bei der Corona-Pandemie könnte aber eine andere Bewertung angemessen sein. Eine Vergleichbarkeit mit den jährlichen Grippewellen ist hinsichtlich der Ansteckungsgefahr und des Risikos eines tödlichen Verlaufs, vor allem bezogen auf die neuen Virusvarianten, nicht gegeben.

Der Arbeitgeber übt sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen aus. Er muss hierbei die Umstände des Einzelfalls und sämtliche Interessen der involvierten Personen einander gegenüberstellen. Die generelle Möglichkeit der Verpflichtung aller Arbeitnehmer lässt sich daraus nicht ableiten. Es kommt stets auf den Einzelfall an. In Anbetracht der massiven medizinischen und wirtschaftlichen Folgen einer Corona-Infektion, vor allem im Vergleich zu anderen Infektionskrankheiten, könnte eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aber rechtlich möglich sein.

Im Fokus steht dabei besonders das Personal in medizinischen Einrichtungen, das Altenpflegepersonal und Ärzte. Als systemrelevante Gruppe sind sie unverzichtbar für die Sicherstellung der Versorgung. Sie kommen zwangsläufig tagtäglich mit anderen Menschen in Kontakt und könnten sich dadurch leicht zu Multiplikatoren für das Virus entwickeln.

Gegenüber stehen sich das Interesse der Mitarbeiter daran, eine Impfung nicht hinnehmen zu müssen und das Interesse des Arbeitgebers an einem weitreichenden Impfschutz der gesamten Berufsgruppe. Bei dieser Abwägung ist besonders zu berücksichtigen, ob ein milderes Mittel als eine zwangsweise Impfung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung steht. In Frage kommen dazu beispielsweise eine regelmäßige Testung, Lüften, das Tragen eines Mund-Nasenschutzes etc. Dass diese Maßnahmen vor Infektionen schützen können, steht außer Frage. Allerdings ist nach derzeitigen Erkenntnissen nicht von einer, mit einer hohen Impfquote vergleichbaren, Wirksamkeit auszugehen. Besonders die Unverzichtbarkeit des medizinischen Personals spricht bei Zuspitzung der Belastung des Gesundheitssystems dafür, dass das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurücktreten muss und eine Impfpflicht rechtmäßig sein kann.

Konsequenzen bei endgültiger Verweigerung des Arbeitnehmers

Welche Schritte kann der Arbeitgeber ergreifen, wenn sich die Arbeitnehmer, bei denen aus den dargestellten Gründen eine Impfpflicht rechtmäßig sein kann, endgültig eine Impfung verweigern?

Die Arbeitgeber können von ihren Arbeitnehmern für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit bestimmte Voraussetzungen verlangen. Nach § 23 III S.1 IfSG sind Betreiber medizinischer Einrichtungen dazu verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zu treffen, um die Ausbreitung von Infektionen bei Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungsaufenthalten zu verhindern. Wenn man die Impfung gegen das Corona-Virus als eine erforderliche Maßnahme betrachtet, könnte der Arbeitgeber nicht geimpfte Arbeitnehmer nicht mehr im unmittelbaren Kontakt zu Patienten und Bewohnern einsetzen. Impfverweigerer müssten dann, sofern anderweitige Einsatzmöglichkeiten nicht gegeben sind, mit einem Einbehalt der Vergütung, dem Ausspruch von Abmahnungen bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.

Fazit

Abschießend lässt sich festhalten, dass die grundsätzliche Möglichkeit zur einseitigen Aussprache einer Impfpflicht durch den Arbeitgeber nicht besteht. Damit dies im Rahmen des Direktionsrecht rechtmäßig ist, sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Soweit das gegeben ist, müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann bei Verweigerung der Impfung mit entsprechenden Konsequenzen rechnen.

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