Der BGH hat entschieden, dass der Google nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses darüber zu vergewissern, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten. Der Suchmaschinenbetreiber muss erst reagieren, wenn er durch einen konkreten Hinweis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kenntnis erlangt.

Zum Sachverhalt:
Die Kläger nehmen die Beklagte in der Hauptsache auf Unterlassung in Anspruch, bestimmte vermeintlich persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte auf Drittseiten über die Suchmaschine auffindbar zu machen.

Die Beklagte, die ihren Sitz in Kalifornien hat, betreibt die Internetsuchmaschine „Google“. Dabei durchsucht sie mit einer Software kontinuierlich und automatisiert das Internet und übernimmt die so ermittelten Internetseiten in einen Suchindex. Die Daten gibt die Suchmaschine an die Nutzer entsprechend dem eingegebenen Suchbegriff nach einem von der Beklagten erstellten Algorithmus als Ergebnisliste aus und verlinkt diese.

Die Kläger, ein Ehepaar, sind IT-Dienstleister. Der Kläger hatte ab Mitte Februar 2011 zumindest beim Aufsetzen eines Internetforums – nachfolgend: F-Internetforum – geholfen. Mitglieder dieses Forums führten mittels Beiträgen auf verschiedenen Forenseiten Auseinandersetzungen mit Mitgliedern eines anderen Internetforums. Den Mitgliedern des F-Internetforums wurde u.a. vorgeworfen, Dritte zu stalken und zu drangsalieren. Aufgrund einer von dem Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für das F-Internetforum eingerichteten E-Mail-Weiterleitung stellten Dritte die IP-Adresse und die Identität des Klägers fest und gaben diese Informationen an Mitglieder des mit dem F-Internetforum verfeindeten Internetforums weiter. Letztere verfassten sodann auf den mit der Klage beanstandeten Internetseiten Beiträge, in denen der Kläger für Handlungen von Mitgliedern des F-Internetforums (unter anderem angebliches Stalking) verantwortlich gemacht wurde. Die bei zielgerichteter Suche in der Ergebnisliste der Beklagten nachgewiesenen Seiten enthielten deshalb Inhalte, wonach der Kläger das F-Internetforum betreibe, für die dort veröffentlichten Inhalte (mit-)verantwortlich sei oder von den Inhalten des Forums zumindest Kenntnis gehabt habe und die Klägerin von der Rolle ihres Mannes in diesem Forum Kenntnis gehabt haben müsse. Dabei wurden in Bezug auf die Kläger Worte gebraucht wie etwa „Arschkriecher“, „Schwerstkriminelle“, „kriminelle Schufte“, „Terroristen“, „Bande“, „Stalker“, „krimineller Stalkerhaushalt“.

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben die Kläger ihre Klageanträge weiterverfolgt.

Die Entscheidung des Senats:
Die Revision hatte keinen Erfolg. Den Klägern stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

Die von den Klägern beanstandeten Inhalte auf den Internetseiten, welche die Beklagte durch Verlinkung auffindbar macht, sind keine eigenen Inhalte der Beklagten. Sie wurden von anderen Personen ins Internet eingestellt. Die Beklagte hat sich die Inhalte durch Aufnahme in den Suchindex auch nicht zu Eigen gemacht. Die Beklagte durchsucht lediglich mit Hilfe von Programmen die im Internet vorhandenen Seiten und erstellt hieraus automatisiert einen Such-index. Zwar kann die Beklagte grundsätzlich auch als sog. mittelbare Störerin haften, wenn sie zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts willentlich und mitursächlich beiträgt. Denn die Beiträge im Internet, durch die sich die Kläger in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sehen, werden durch die Suchmaschine auffindbar gemacht. Eine Haftung des Suchmaschinenbetreibers setzt aber die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Vom ihm kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er sich vergewissert, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor er diese auffindbar macht. Die Annahme einer – praktisch kaum zu bewerkstelligenden – allgemeinen Kontrollpflicht würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist, ernstlich in Frage stellen. Ohne die Hilfestellung einer solchen Suchmaschine wäre das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar. Den Betreiber einer Suchmaschine treffen daher erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat.

Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor. Die beanstandeten Bezeichnungen der Kläger waren zwar ausfallend scharf und beeinträchtigten ihre Ehre. Ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt stand aber nicht von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes. Denn die Äußerungen standen ersichtlich im Zusammenhang mit der Rolle, welche der Kläger beim F-Internetforum gespielt haben soll. Nach dem Inhalt der beanstandeten Suchergebnisse werden den Mitgliedern des F-Internetforums u.a. Stalking (Straftat i. S. des § 238 StGB) vorgeworfen. Die Beteiligung des Klägers an der Erstellung des F-Internetforums hatten die Kläger nicht zweifelsfrei klären können. Der Kläger räumte selbst ein, am „Aufsetzen“ des F-Internetforums beteiligt gewesen zu sein; auch war eine von ihm eingerichtete E-Mail-Weiterleitung über das F-Internetforum an ihn noch Wochen nach dem Aufsetzen des Forums aktiv. Über die eigene, durch „eidesstattliche Versicherung“ bekräftigte, jedoch ziemlich allgemein gehaltene und pauschale Behauptung hinaus, mit dem F-Internetforum nichts zu tun zu haben, hat der Kläger keinerlei belastbare Indizien für die Haltlosigkeit der ihm – und zumindest mittelbar in Form der Mitwisserschaft seiner Frau, der Klägerin, – gemachten Vorwürfe aufgezeigt. Eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung musste die Beklagte den beanstandeten Äußerungen deshalb nicht entnehmen.

BGH Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16
Quelle: PM 39/2018


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