Bundesarbeitsgericht: Urteil zum Betriebsrisiko in der Pandemie sorgt für Aufsehen

Lange wurde in der Pandemie diskutiert, ob Arbeitgeber das Betriebsrisiko tragen, wenn aufgrund behördlicher Anordnung ihr Betrieb geschlossen wird. Denn in der Konsequenz müssen Arbeitgeber dann trotz der Schließung ihren Mitarbeitern weiter Lohn zahlen. Das Bundesarbeitsgericht entschied in einem nun veröffentlichten Urteil aber zugunsten des Arbeitgebers, er müsse einer 450 Euro-Kraft in seinem Betrieb für die Zeit der behördlichen Schließung kein Gehalt zahlen.

Hintergrund

Während der letzten anderthalb Jahre mussten aufgrund der Pandemie viele Betriebe phasenweise ihre Geschäfte schließen, vor allen Dingen Hotels, Gastronomen und der Einzelhandel waren von dieser Entscheidung betroffen. Viele Arbeitgeber konnten ihre Mitarbeiter daher auch nicht beschäftigen. In der Folge kam die Frage auf, ob Arbeitgeber für diesen Umstand haften und ihren Mitarbeitern trotzdem Lohn zahlen müssen. Bislang urteilten die vorherigen Instanzen, dass Arbeitgeber auch hier weiter zur Lohnzahlung verpflichtet sind.

Grundsätzliches zum Betriebsrisiko

Gemäß § 615 Satz 3 BGB muss Arbeitgeber grundsätzlich weiter den Lohn zahlen, wenn es zu einem Arbeitsausfall kommt und der Grund hierfür seiner betrieblichen Sphäre zuzurechnen ist. Bisher nahmen die Arbeitsgerichte auch bei den pandemiebedingten Schließungen an, dass diese der betrieblichen Sphäre des Arbeitgebers zuzuordnen sind. Die finanziellen Folgen wurden weitestgehend  durch das Kurzarbeitergeld aufgefangen.

Das Urteil: Betriebsrisiko oder allgemeines Lebensrisiko bei einer pandemiebedingten Betriebsschließung

Doch das BAG hat nun in einem Präzedenzfall überraschend anders entschieden: Das Betriebsrisiko für den Arbeitsausfall aufgrund der landesweiten, pandemiebedingten Schließungen trägt nicht der Arbeitgeber. Daher trifft ihn auch keine Pflicht zur Entgeltfortzahlung. Vor dem Gericht stritten eine geringfügig Beschäftigte und ihr Arbeitgeber.

Die Angestellte vertrat vor Gericht, dass die behördlich angeordnete Betriebsschließung dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Der Arbeitgeber weigerte sich dagegen, der Mitarbeiterin ihre Vergütung zu zahlen. Die Lockdown-Maßnahmen, die von Bund und Ländern zur Pandemiebekämpfung angeordnet wurden, fallen nach seiner Meinung nicht unter das Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Vielmehr fallen diese Entscheidungen unter das allgemeine Lebensrisiko, welches nicht beherrschbar sei und daher von allen gleichermaßen zu tragen sei. Die obersten Arbeitsrichter folgten im Grunde dieser Ansicht. Damit hat die geringfügig Beschäftigte hatte damit auch keinen Anspruch auf ihre Vergütung.

Begründung des Gerichts

In der Begründung heißt es, dass Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls nicht trifft, wenn nahezu flächendeckend ganze Branchen aufgrund behördlicher Anordnung ihre Geschäfte zum Schutz der Gesamtbevölkerung schließen müssen. Hierbei realisiert sich nicht, dass in einem bestimmten Betrieb angelegte Risiko. Es sei infolge des Lockdowns beziehungsweise des staatlichen Eingriffs zur Bekämpfung der Pandemie, dass Beschäftigten die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich machte.

Aufgrund des hoheitlichen Eingriffes müsse der Staat letztenendes für einen entsprechenden finanziellen Ausgleich sorgen. Dies sei durch den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschehen. Das Gericht stellte zwar fest, dass hier nach den staatlichen Vorgaben, geringfügig Beschäftigte derzeit ausgenommen werden, jedoch könne das Fehlen eines nachgelagerten Anspruches keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Hier gehts zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts:  Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21

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