Bei der Formulierung von Rückzahlungsklauseln ist Vorsicht geboten

Fortbildungsvereinbarungen – gängige Praxis in der Arbeitswelt

Arbeitgeber sind in der Regel gerne bereit, in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Allerdings soll sich das auch auszahlen, der Mitarbeiter soll also langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Dazu werden üblicherweise Rückzahlungsklauseln für den Fall vereinbart, dass der Mitarbeiter das Unternehmen innerhalb einer bestimmten Frist verlässt. Hier gilt es allerdings aufzupassen, denn nicht jede Rückzahlungsklausel ist wirksam.

BAG äußert sich wegweisend zu Unwirksamkeitsgründen für Rückzahlungsklauseln

Die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln in einer Fortbildungsvereinbarung ist bereits seit einiger Zeit Inhalt einer geraumen Anzahl von Urteilen der Rechtsprechung. Nun hat das BAG erneut entschieden: Rückzahlungsverpflichtungen sind generell zulässig, doch der Teufel steckt im Detail: Es kommt auf die Verwendung und die genaue Formulierung der Klausel an.

Von zentraler Bedeutung ist somit eine rechtssichere Gestaltung der Klausel.

Die wichtigsten 3 Gründe für unwirksame Klauseln

Das BAG hat in seiner neusten Entscheidung insbesondere auf drei Unwirksamkeitsgründe hingewiesen, die es zu vermeiden gilt.

1. Anforderungen einer AGB-Inhaltskontrolle nach den §§305ff BGB – Überraschende Klausel und Transparenzgebot

Rückzahlungsvereinbarungen sind in der Regel vorformulierte, für eine Vielzahl von Verträgen verwendete Vereinbarungen und stellen somit allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar. Sie müssen einer AGB-Kontrolle standhalten. Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Klausel für den Arbeitnehmer nicht gemäß §305c BGB überraschend oder mehrdeutig ist und dass die Klausel dem Transparenzgebot gemäß §307 I 2 BGB Rechnung trägt.

2. Keine unangemessene Benachteiligung: Verhältnis Bindungsdauer und Fortbildung

Eine Rückzahlungsklausel ist zudem unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt unter anderem dann vor, wenn die in der Klausel vereinbarte Bindungsdauer außer Verhältnis zu der Fortbildung steht. In Relation gesetzt werden müssen bei der Abwägung insbesondere die Höhe der Fortbildungskosten, die Dauer der Fortbildung und die dem Arbeitnehmer durch die Fortbildung zukommenden Vorteile (z.B. Die Verbesserung der eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt). Als Anhaltspunkt hat die Rechtsprechung hier folgende Regelwerte festgelegt:

Fortbildungsdauer bis zu einem Monat: Bindungsdauer bis zu 6 Monaten

Fortbildungsdauer bis zu zwei Monaten: Bindungsdauer bis zu 12 Monaten

Fortbildungsdauer von drei-vier Monaten: Bindungsdauer bis zu 24 Monaten

Fortbildungsdauer sechs-zwölf Monate: Bindungsdauer bis zu 36 Monaten

Fortbildungsdauer mehr als zwölf Monate: Maximale Bindungsdauer 60 Monate

(anderes gilt, wenn der AN vor Abschluss der Fortbildung kündigt)

3. Mangel an „Ausnahmetatbeständen“

Ein weiterer Unwirksamkeitsgrund für Rückzahlungsklauseln kann schließlich darin bestehen, dass die Klausel mangels genügender „Ausnahmetatbestände“ den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Ein vorzeitiges Beenden des Arbeitsverhältnisses kann, auch während der Bindungsdauer, nicht per se eine Rückzahlungsverpflichtung begründen.

Es muss vielmehr danach differenziert werden, in wessen Sphäre die Beendigung fällt und entsprechende „Ausnahmetatbestände“ müssen festgelegt werden. Fehlende Kapazitäten, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Fähigkeiten zu beschäftigen oder eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers, stellen beispielsweise „Ausnahmetatbestände“ der Rückzahlungsverpflichtung dar.

In dem am 01.03.2022 ergangenem Urteil des BAG wurde der Katalog der „Ausnahmetatbestände“ nun um eine Konstellation erweitert: Eine unangemessene Benachteiligung liegt auch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis von dem Arbeitnehmer vor Ablauf der Bindungsdauer aufgrund eines unverschuldeten Leistungshindernisses gekündigt werden muss – der Grund für die Beendigung also weder der Sphäre des Arbeitgebers, noch der des Arbeitnehmers zuzurechnen ist.

Anforderungen an die Wirksamkeit einer Rückzahlungsverpflichtung

Folgende Punkte sind umgekehrt zu beachten, um eine rechtssichere Rückzahlungsklausel in den Arbeitsvertrag zu integrieren:

1. Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss an der Rückzahlungsverpflichtung ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ haben. Sein berechtigtes Interesse besteht darin, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen. Der Arbeitgeber will Aus- und Fortbildungskosten regelmäßig nur für solche Arbeitnehmer aufwenden, die bereit sind, ihm die erworbenen Qualifikationen für einige Zeit zur Verfügung zu stellen.

2. Angemessener Ausgleich durch geldwerten Vorteil

Aufseiten des Arbeitnehmers muss der Bindungsdauer mit Rückzahlungsverpflichtung bei vorzeitigem Ausscheiden ein angemessener Ausgleich in Form eines geldwerten Vorteils gegenüberstehen. Dabei ist dem Arbeitnehmer eine Kostenbeteiligung umso eher zuzumuten, je größer der mit der Aus- oder Fortbildung verbundene Vorteil für ihn ist. Dieser (geldwerte) Vorteil kann etwa in der Verbesserung der eigenen Arbeitsmarktchancen liegen. Am gewichtigsten sind hierbei diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Arbeitnehmer auch außerhalb des Betriebs verwerten und zum beruflichen Aufstieg nutzen kann.  Ein solcher Ausgleich ist von vornherein ausgeschlossen, wenn es sich um rein innerbetriebliche Weiterbildungen, die Auffrischung vorhandener Kenntnisse oder die Anpassung an betriebliche Gegebenheiten handelt.

3. Zumutbarkeit

Schließlich muss die Rückzahlungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. An dieser Stelle hat am Maßstab der Verhältnismäßigkeit eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Dabei sind, wie bereits erwähnt, insbesondere die Bindungsdauer, der Umfang der Fortbildung sowie die Höhe des zurückzuzahlenden Betrags und dessen Abwicklung zu berücksichtigen

Die Rechtsprechung macht bei diesen Kriterien jedoch keinen Halt: Sie fordert im Rahmen der Inhaltskontrolle auch eine Differenzierung bei Beendigungstatbeständen, an die eine Rückzahlungsverpflichtung bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers innerhalb der Bindungsfrist geknüpft ist.

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