Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass das Zeichen "Fucking Hell" als Marke für Parfüms eingetragen werden darf.
„GUTE SITTEN“
Laut EuGH liegt ein Verstoß gegen die guten Sitten nur vor, wenn das Zeichen im Falle seiner Verwendung als Marke für die beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise mit den grundlegenden moralischen Werten und Normen der Gesellschaft unvereinbar ist, wobei die Wahrnehmung einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle zugrunde zu legen ist (EuGH GRUR a. a. O. Rdnr. 42 – Constantin Film Produktion/EUIPO [Fack Ju Göhte]).
„Fucking Hell“ für Parfümerie- und Duftstoffen
Das angemeldete Wortzeichen „Fucking Hell“ stellt im Falle seiner Verwendung als Marke für die beanspruchten Waren der Klasse 3 aus dem Bereich der Parfümerie- und Duftwaren sowie der Haut- und Körperpflege im konkreten und gegenwärtigen sozialen Kontext nicht von maßgeblichen inländischen Verkehrskreisen als Verstoß gegen die grundlegenden moralischen Werte und Normen der Gesellschaft wahrgenommen würde.
„Hell“ = „Hölle“
Das englische Substantiv „hell“ hat die Bedeutung „Hölle“. Es gehört zum englischen Grundwortschatz.
„to fuck“ = „ficken“
Das Eigenschaftswort „Fucking“ ist in seiner ursprünglichen Bedeutung das Partizip Präsens, auch das Gerundium zum Verb „to fuck“ für „ficken“. Als Substantiv der englischen Umgangssprache wird es mit „Ficken“, dem deutschen Vulgärausdruck für die Vollziehung des Geschlechtsverkehrs übersetzt
„fucking good“ bedeutet „saugut“
In einem erweiterten Sinne bedeutet „fucking“ in der derben englischen Umgangssprache „verdammt, scheiß …“ und dient attributiv entweder der positiven Verstärkung wie in dem Ausdruck „fucking good“ mit der Bedeutung „saugut, unheimlich gut“ oder der negativen Steigerung wie in der Wortkombination „fucking cold“ im Sinne von „arschkalt“ oder „fucking expensive“ im Sinne von „schweineteuer“.
„Fucking Hell“ bedeutet „verdammter Scheiß“
Zusammen mit dem englischen Substantiv „hell“ für „Hölle“ hat es die Bedeutung „verdammte Scheiße“ . Damit steht bei dem Gesamtzeichen „Fucking Hell“ für einen erheblichen Teil der Verkehrskreise und Personen, die der Marke im Alltag zufällig begegnen können, der ungefähre Bedeutungsgehalt „verdammte Scheiße“ als „sinnvoller“ Gesamtbegriff bzw. derber Ausspruch im Vordergrund.
„Fucking Hell“ kein Ausdruck der Sittenwidrigkeit
In der o.g. genannten Bedeutung stellt das Anmeldezeichen keinen Ausdruck dar, der als sittenwidrig i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG anzusehen ist.
„fuck“ muss keine sexuellen Bezüge haben
Dem Verkehr ist auch längst bekannt, dass Gesamtbegriffe, die ein Element aus der Wortfamilie „fuck“ enthalten, keine sexuellen Bezüge aufweisen müssen, und daher nicht schon allein deshalb als mit den grundlegenden moralischen Werten und Normen unvereinbar anzusehen sind.
„fucking“ gehört zum derben Sprachstil ist aber nicht menschenverachtend
Im englischen Sprachraum wird mit fuck und fucking locker umgegangen, auch wenn beide Ausdrücke einem derberen Sprachstil entsprechen. Hier ist also Vorsicht angebracht. Das Wort fuck (ursprünglich: „ficken“) wird sehr vielseitig benötigt. Die angemeldete Wortfolge enthält auch keine massiv diskriminierende, rassistische oder menschenverachtende Aussage, die schon aus diesem Grund als sittenwidrig anzusehen wäre (BPatG GRUR 2013, 76 – Massaker). Ebenso ist auch keine religiöse, politische oder sonst gesellschaftliche Anstößigkeit erkennbar.
„Fucking Hell“ überschreitet nicht die Toleranzschwelle des vernünftigen Menschen
Nach alledem mag das Anmeldezeichen zwar für einen vernünftigen Menschen mit durchschnittlicher Empfindlichkeit und Toleranzschwelle mit einer – gerade bei Duftwaren – erkennbar gewollten Geschmacklosigkeit und einer gewissen Provokation verbunden sein. Als Verletzung grundlegender moralische Werte und Normen wird es jedoch nicht wahrgenommen. Das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG war damit zu verneinen.
BPatG Beschluss vom 29.11.2021 – Az. 26 W (pat) 502/20
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